Patienten profitieren von zunehmend maßgeschneiderter Behandlung

Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, ist nach Herzinfarkt und Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache weltweit. Tendenz steigend. Doch in der Therapie werden laufend Fortschritte gemacht, die eine zunehmend individualisierte, auf den einzelnen Patienten* maßgeschneiderte Behandlung in Form einer sogenannten Präzisionstherapie ermöglichen. Mehrere Studien haben 2018 in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt und werden sowohl die medikamentöse als auch die interventionelle Therapie nachhaltig verbessern. „Die neuen Studiendaten aus dem Jahr 2018 helfen uns dabei, die medikamentöse bzw. inhalative sowie die interventionelle Therapie besser präzisieren bzw. individualisieren zu können“, so Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht, der im Rahmen der Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, ÖGP, (18.-20. Oktober in Linz) die wichtigsten Erkenntnisse und ihre Bedeutung für den klinischen Alltag und die Lebensqualität der Patienten vorstellte.

„In den letzten Jahren haben wir ein weitaus besseres Verständnis dieser komplexen und lebensbedrohlichen Erkrankung gewonnen. Ähnlich wie in der Krebstherapie wissen wir heute viel genauer, welche Medikamente und zusätzlichen therapeutischen Möglichkeiten bei welcher Ausprägungsform der Erkrankung besonders wirksam sind. So ist es uns zunehmend möglich, die Therapie für den jeweiligen Patienten* und ‚seine‘ COPD maßzuschneidern. Und die rezenten Studien bringen uns wieder ein Stück weiter in der Individualisierung der Therapie“, so ÖGP-Generalsekretär Prim. Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde, Kepler Universitätsklinikum, Linz.

COPD – Krankheit mit vielen Ausprägungen

Unter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, so die deutsche Bezeichnung für COPD (chronic obstructive pulmonary disease), versteht man verschiedene Krankheitsausprägungen, die mit einer Verengung (Obstruktion) der Atemwege und/oder einer nicht rückbildungsfähigen Überblähung der Lunge (Lungenemphysem) einhergehen. Bei COPD reagiert die Lunge mit überschießenden Entzündungsreaktionen, die zu einer irreversiblen Schädigung der Lungenstruktur und im Endeffekt zur Zerstörung der Lunge führen.

Präzisionstherapie bei COPD

Dank einer besseren Kenntnis der verschiedenen Ausprägungsformen der COPD, neuer Erkenntnisse und eines tieferen Verständnisses der komplexen Zusammenhänge dieser Erkrankung, moderner diagnostischer Möglichkeiten sowie neuer Medikamente und Begleittherapien können COPD-Patienten heute viel besser und mit deutlich weniger Nebenwirkungen behandelt werden als früher. Lamprecht: „Menschen, die an COPD leiden, haben zwar dieselben Symptome, wie beispielsweise Husten, Auswurf und Atemnot, aber unterschiedliche Ausprägungsformen der Erkrankung. Und genau diese gilt es nun zu erkennen. Die ‚richtige Therapie‘ muss bei der ‚richtigen Ausprägung‘ zum Einsatz kommen. Und das gelingt uns heute immer besser.“

Prinzipiell gibt es zwei Ausprägungsformen der COPD: die chronische Bronchitis, die mit einer entzündlichen Verengung der Bronchien einhergeht, und COPD mit einem Lungenemphysem, also mit einer Zerstörung von Lungenbläschen und zunehmender Überblähung der Lunge. Oft treten beide Formen gemeinsam auf.

Biomarker weisen den Weg

„Einerseits orientieren wir uns am klinischen, andererseits am biologischen Status des jeweiligen Patienten. Und beim ‚biologischen Status‘ spielen Biomarker, also messbare biologische Merkmale, eine große Rolle. So zum Beispiel spezielle weiße Blutkörperchen im Blut, die Eosinophile genannt werden. Wenn diese gehäuft auftreten, wissen wir, dass eine Inhalation mit Kortison-Präparaten besonders gut wirksam sein wird. Patienten mit niedriger Zahl an Eosinophilen würden hingegen nicht von dieser Therapie profitieren und ihnen ersparen wir somit auch die Nebenwirkungen einer Kortison-Therapie“, erläuterte Lamprecht.

Neue Studiendaten[1][2]untermauern jetzt, das eine Triple-Therapie, bestehend aus der Verabreichung von zwei Bronchodilatatoren (bronchienerweiterendes Medikament, das mittels Inhalator direkt in die Lunge eingeatmet wird) und einem inhalativen Kortikosteroid (Kortison-Präparat, das mittels Inhalator direkt in die Lunge eingeatmet wird) dann besonders gut wirkt, wenn Eosinophile im Blut stark vermehrt sind – und gehäuft Exazerbationen, also akute, oft lebensbedrohliche Verschlechterungen der Erkrankung, auftreten. Lamprecht: „Und wenn die Laboranalyse des Blutes mehr als 400 Eosinophile pro mm³ ergibt, zeigt sich der vorteilhafte Effekt eines inhalativen Glukokortikosteroids vor allem in Hinblick auf die Reduktion weiterer Exazerbationen besonders deutlich.“

Notfall Exazerbation

Um zu verdeutlichen, was eine Exazerbation für die Patienten bedeutet: Zunehmende Atemnot, vermehrter Husten und vermehrter Auswurf, ein allgemeines schweres Krankheitsgefühl und/oder Fieber sind Alarmsignale für eine Exazerbation. Der Patient muss sofort in ärztliche Behandlung bzw. ins Krankenhaus. Lamprecht: „Diese Verschlechterung kann prinzipiell in allen Krankheitsstadien auftreten. Belastungen durch die kalte Jahreszeit, Infekte, Smog oder die Verschlechterung von Begleiterkrankungen sind mögliche Auslöser. Und man darf nie vergessen: Eine Exazerbation kann lebensbedrohlich sein.“ Vor allem COPD-Patienten in höherem Alter und Patienten mit Begleiterkrankungen sind stark gefährdet.

Interventionelle Therapien: Neue Erkenntnisse auch bei „Lungen-Ventilen“

Lungenemphysem bedeutet: Mit fortschreitender Erkrankung nimmt die Überblähung der Lunge zu, die Patienten können die verbrauchte Luft nicht mehr zur Gänze ausatmen. Das Zwerchfell, das normalerweise mit seiner Muskelkraft die Lunge zum Einatmen nach unten zieht, wird durch die große, überblähte Lunge nach unten gedrückt. Damit wird auch das Einatmen immer schwerer. Die Atemzüge werden immer flacher und schneller. Bei geringster Belastung tritt Atemnot auf.

Um COPD-Patienten, die an einem Lungenemphysem leiden, das Ausatmen von verbrauchter und Einatmen von frischer Luft zu erleichtern, können sogenannte endobronchiale Ventile endoskopisch eingesetzt werden.

Und auch hier kann man heute dank einer neuen Studie besser einschätzen, wer davon am meisten profitieren wird. Lamprecht: „Die große multizentrische, prospektive und randomisiert kontrollierte Liberate-Studie[3] hat durch den Einsatz von endobronchialen Ventilen bei Patienten mit heterogenem Emphysem (=das Emphysem ist ungleich im Brustkorb verteilt) und bei keinem oder geringen Luftaustausch zum benachbarten Lungenlappen (Kollateralventilation), bei folgenden Faktoren eine klinisch signifikante Verbesserung gezeigt: in der Lungenfunktion, in der Beeinflussung der Atemnot, der körperlichen Belastbarkeit und in der Lebensqualität. Und das für einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten nach der Intervention.“

Zudem wurden von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie im Jahr 2018 die Kriterien für die Eignung zu dieser interventionellen Therapie präzisiert und an die neuesten Studienergebnisse angepasst. Besonders geeignet für diese Therapieform erscheinen Patienten mit einem FEV1 (= Forced Expiratory Volume in1 second; damit wird jene Menge an Luft bezeichnet, die der Patient innerhalb einer Sekunde forciert, also mit voller Anstrengung, ausatmen kann) von <45% des Sollwertes und einem Residualvolumen (= die Luft, die nach vollständiger Ausatmung in der Lunge verbleibt) von >175% des Sollwertes, wenn keine Kontraindikationen für eine Ventilimplantation vorliegen.

Risikofaktoren – Rauchen an erster Stelle

Auch wenn man heute helfen kann – Vermeiden von COPD wäre das Beste… „Rauchen ist mit Abstand der größte Risikofaktor für das Entstehen einer COPD. Die Mehrzahl aller COPD-Patienten sind Raucher oder haben in ihrer Vergangenheit geraucht“, so der Lungenspezialist. „Denn im Tabakrauch finden sich zahlreiche Substanzen, die Entzündungsreaktionen verursachen, die das Gewebe schädigen. Dadurch wird auch die Produktion von Bronchialschleim verstärkt und der Selbstreinigungsmechanismus der Atemwege beeinträchtigt: Die Flimmerhärchen der Bronchialschleimhaut, die zusammen mit dem Bronchialschleim für den Abtransport von Fremdstoffen sorgen, werden geschädigt und infolge auch die Lungenbläschen angegriffen.“ Übrigens: Nicht nur Aktiv- sondern auch Passivrauch kann zu COPD führen! Im Zuge dessen betonte Lamprecht noch einmal die Wichtigkeit des Don’t Smoke-Volksbegehrens und unterstrich die Forderung der österreichischen Lungenfachärzte nach einem generellen Rauchverbot in der Gastronomie.

Resümee

Die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten können heute zunehmend gezielt dort eingesetzt werden, wo sie den meisten Erfolg bringen. Die vorliegenden Studien weisen den Weg zu einer weiteren Individualisierung der COPD-Therapie. Dadurch wird effektiver therapiert, wertvolle Zeit gewonnen, Nebenwirkungen werden vermieden und Kosten gespart. Und ganz wesentlich: Die Lebensqualität der Patienten wird deutlich erhöht.

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet. Sofern nicht anders vermerkt, gelten alle Bezeichnungen sowohl für Frauen als auch für Männer.

 

Kontakt

Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht
Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie

Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde
Kepler Universitätsklinikum
Med Campus III.
Krankenhausstraße 9
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T +43 (0)5 7680 83 – 0

 

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16. Oktober 2018

[1] KRONOS-Studie; Lancet Respiratory Medicine
[2] Impact Lipson, NEJM
[3] Liberate-Trial_EBV for COPD_AJRCCM 2018