Bessere Behandlungserfolge und weniger Nebenwirkungen dank Präzisionstherapie

Welt COPD-Tag am 15. November

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, ist nach Herzinfarkt und Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache weltweit. Tendenz steigend. Bereits jetzt erkranken über 20 Prozent der Erwachsenen an COPD – in unterschiedlichen Schweregraden. „In den letzten Jahren haben wir ein weitaus besseres Verständnis dieser komplexen und lebensbedrohlichen Erkrankung gewonnen. Ähnlich wie in der Krebstherapie wissen wir heute viel genauer, welche Medikamente und zusätzlichen therapeutischen Möglichkeiten bei welcher Ausprägungsform der Erkrankung besonders wirksam sind. So ist es uns zunehmend möglich, die Therapie für den jeweiligen Patienten* und ‚seine‘ COPD maßzuschneidern“, so Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) anlässlich des Welt-COPD-Tages am 15. November.

Die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten können heute zunehmend gezielt dort eingesetzt werden, wo sie den meisten Erfolg bringen. Dadurch wird wertvolle Zeit gewonnen, Nebenwirkungen werden vermieden und Kosten gespart. Und ganz wesentlich: Die Lebensqualität der Patienten wird deutlich erhöht. Dabei gilt: Je früher COPD erkannt und je individualisierter therapiert wird, umso günstiger ist der Verlauf. Denn COPD kann zwar nicht geheilt, aber der Verlauf verlangsamt bzw. gestoppt werden.

COPD ist nicht gleich COPD

Unter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung versteht man verschiedene Krankheitsausprägungen, die mit einer Verengung („Obstruktion“) der Atemwege einhergehen. Ausgangspunkt ist stets eine chronische Entzündung der Bronchien. Denn bei COPD reagiert die Lunge mit überschießenden Entzündungsreaktionen. Diese führen zu einer irreversiblen Schädigung der Lungenstruktur, also im Endeffekt zur Zerstörung der Lunge. Lamprecht: „Prinzipiell gibt es zwei Hauptformen der COPD: COPD mit chronischer Bronchitis, also einer entzündlichen Verengung der Bronchien, und COPD mit einem Lungenemphysem, das heißt mit einer Überblähung der Lunge. Dabei kann die Atemluft nicht mehr zur Gänze abgeatmet und weniger Frischluft eingeatmet werden; die Patienten leiden ebenfalls an Atemnot. Oft treten beide Formen zusammen auf. Und beide Formen zerstören mit der Zeit das Lungengewebe unwiderruflich. COPD ist also nicht heilbar, aber das Fortschreiten kann gestoppt werden.“

Präzisionstherapie bei COPD

Es geht in der zielgerichteten oder personalisierten Medizin um den Einsatz von individualisierten Therapien, die sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten richten. Damit soll der klinische Outcome, also das Ergebnis für den Patienten verbessert werden, bei gleichzeitiger Minimierung der Nebenwirkungen. Lamprecht: „COPD ist eine sehr häufige Erkrankung. Menschen, die daran leiden, haben zwar dieselben Symptome, aber unterschiedliche Ausprägungsformen der Erkrankung. Und genau diese gilt es nun zu erkennen. Die ‚richtige Therapie‘ muss bei der ‚richtigen Ausprägung‘ zum Einsatz kommen. Dank einer besseren Kenntnis der verschiedenen Ausprägungsformen, moderner diagnostischer Möglichkeiten und eines tieferen Verständnisses der komplexen Zusammenhänge dieser Erkrankung gelingt uns dies nun immer besser.“

Ganz allgemein gilt daher: Bei der Diagnose und Therapie von COPD sind die Lungenfachärzte als Experten gefordert, der Allgemeinmediziner unterstützt die laufende Betreuung.

Eosinophile als Biomarker

„Einerseits orientieren wir uns hier am klinischen und biologischen Status des jeweiligen Patienten. Wir identifizieren Biomarker, wie zum Beispiel die Eosinophilen im Blut. Wenn diese speziellen weißen Blutkörperchen gehäuft auftreten, wissen wir, dass eine Inhalation mit Kortison-Präparaten besonders gut wirksam sein wird. Patienten mit niedriger Zahl an Eosinophilen würden hingegen nicht von dieser Therapie profitieren und ihnen ersparen wir somit auch die Nebenwirkungen einer Kortisontherapie“, bringt Lamprecht ein Beispiel.

Bildgebende Verfahren und Denervierung

Einen wichtigen Stellenwert haben auch die modernen bildgebenden Verfahren, betont Lamprecht: „Mittels CT (Computertomographie) kann man heute zum Beispiel sehr genau feststellen, wie groß der Emphysemanteil und der Anteil der verengten Bronchien ist und dementsprechend agieren.“

Bei überwiegender Lungenüberblähung können zum Beispiel bestimmte Ventile eingesetzt werden, die, vereinfacht gesagt, die Überblähung der Lunge reduzieren. Bei leichteren Formen oder auch zusätzlich können spezielle Atemtechniken erlernt werden, die Erleichterung verschaffen. „Zeigt die CT, dass bei einem Patienten die Bronchienverengung überwiegt, werden spezielle inhalative Medikamente empfohlen oder auch eine Targeted Lung Denervation. Dabei werden im Zuge einer Lungenspiegelung mittels elektrischer Energie Nerven, die für das Zusammenziehen der Bronchien verantwortlich sind, ‚unterbrochen‘. In der Folge kommt es zu einer Entspannung der betreffenden Muskulatur, die Bronchien können sich nicht mehr ‚verkrampfen‘ und die Atemwege sind nicht mehr so eng.“ 

Messung des Sauerstoffgehalts im Blut identifiziert Bedarf für Sauerstofftherapie

Auch die Messung der Blutgase gibt wichtige Aufschlüsse. COPD kann zu einem dauerhaft verminderten Sauerstoffgehalt führen, der nicht nur die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität enorm einschränkt, sondern auch zu einer vermehrten Belastung der rechten Herzkammer (Rechtsherzinsuffizienz) führt. Zusätzlich können sich die Fließeigenschaften des Blutes krankhaft verändern. Lamprecht: „Durch eine Messung der Sauerstoffkonzentration werden jene Patienten identifiziert, die am meisten von einer Sauerstofftherapie profitieren werden.“

Nicht-invasive Beatmung bei erhöhten CO2-Werten

Mittels Messung der CO2-Konzentration können wiederum jene Patienten herausgefiltert werden, die von einer sogenannten nicht-invasiven Beatmung (NIV) profitieren. Lamprecht: „Atemversagen ist eine der häufigsten Todesursachen bei schwerer COPD. Für viele Patienten geht dem akuten Atemversagen eine schleichende chronische Verschlechterung der Atemleistung voran, die zu einer chronischen CO2-Vergiftung im Blut führt. Die Patienten können durch die fortschreitende Zerstörung des Lungengewebes das körpereigene CO2 nicht mehr abatmen und sterben dann an der daraus resultierenden CO2-Vergiftung. Rezente Studien haben gezeigt, dass bereits bei einer geringen chronischen CO2-Erhöhung im Blut eine nicht-invasive Beatmung mittels Atemmaske zum Beispiel während des Schlafes die Sterblichkeit senkt und die Lebensqualität deutlich erhöht.“

Rehabilitation und Lebensstiländerung

Zur individualisierten Therapie gehören aber auch Rehabilitation und Lebensstiländerung, betont Lamprecht: „Wir schauen uns auch psychosoziale Charakteristika wie das Lebensumfeld und den Lebensstil des Patienten an. Wer war noch nicht auf einer Rehabilitation und wer sollte das unbedingt machen? Wem kann eine Lebensstiländerung – eventuell zusätzlich zu anderen therapeutischen Maßnahmen – etwas bringen? Im Zuge der Rehabilitation werden der jeweiligen Ausprägungsform gerechte Bewegung, Ernährung und Atemtechniken gelehrt, mittels derer das übermäßig gebildete Sekret besser abgehustet oder die Überblähung der Lunge reduziert werden kann. Die Patienten werden über ‚ihre‘ COPD informiert, damit sie die Sinnhaftigkeit und Wichtigkeit der Lebensstiländerungen und therapeutischen Interventionen besser verstehen und internalisieren.“

Patienten müssen über „ihre“ COPD Bescheid wissen

Wir sehen gerade bei COPD leider eine mangelhafte Therapie-Adhärenz. Hier müssen wir Ärzte Überzeugungsarbeit leisten – der Patient muss verstehen, woran er leidet und warum welche Interventionen sinnvoll sind. „Nur so können Arzt und Patient Partner sein, die gemeinsam an dem Ziel arbeiten: Dem Patienten möglichst lange ein selbstständiges Leben bei größtmöglicher Lebensqualität zu erhalten.“

Die mit Abstand häufigste Ursache von chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen ist das Zigarettenrauchen – aktiv wie passiv. Daneben spielen als Ursachen oder Verstärker auch Schadstoffe wie Feinstaub und Abgase sowie auch chronisch wiederkehrende Atemwegsinfekte eine Rolle. Diese gilt es natürlich ebenso zu vermeiden. Lamprecht: „Auch hier bemühen wir uns, die Patienten individuell zu unterstützen.“

Früherkennung von enormer Bedeutung

COPD ist zwar primär eine Erkrankung der Atmungsorgane, doch vor allem im fortgeschrittenen Stadium sind auch andere Organsysteme betroffen. Nicht nur das Herz wird, wie oben beschrieben, in Mitleidenschaft gezogen, auch die Muskulatur, Knochen und Stoffwechselorgane können betroffen sein. So leiden viele Patienten mit COPD auch an Blutarmut, Muskelabbau und Gewichtsverlust. Umso wichtiger ist daher ein möglichst frühzeitiges Erkennen der Erkrankung, um sie in einem möglichst frühzeitigen Stadium stoppen zu können. Dies belegt eine rezente chinesische Studie, die im New England Journal of Medicine (NEJM) publiziert wurde. Lamprecht: „Somit ist nun auch wissenschaftlich abgesichert: Je früher die Behandlung einsetzt, umso günstiger der Verlauf der COPD. COPD sollte also unbedingt bereits dann diagnostiziert und behandelt werden, wenn die Symptome klinisch noch nicht sichtbar sind, also der Patient schon COPD hat, aber die Symptome durch Vermeidungsstrategien – auch vor sich selbst – noch ‚verstecken‘ kann.“

Daher fordert die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie: Der Lungenfunktionstest, die Spirometrie, sollte Teil aller Gesundenuntersuchungen sein. Denn nur so kann eine COPD frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Kontakt

Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht
Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde
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