Klimawandel und die Folgen für die Lungengesundheit – Ergebnisse aus der LEAD-Studie

Der Klimawandel ist heute bereits auf vielen Ebenen spürbar. Doch hat er auch Auswirkungen auf unsere Lungengesundheit? Das renommierte Wissenschaftsjournal Lancet ruft seit 2015 mit dem Lancet Commission Report1,2 zum Klimawandel internationale Forscher zusammen, die die Auswirkungen des Klimawandels untersuchen und beobachten sollen. Das Ergebnis ist alarmierend: Bereits 23% aller jährlichen Todesfälle weltweit (12,6 Mio.) werden dem Klimawandel zugeschrieben. Die Zunahme von Allergien und Atemwegserkrankungen als eine der Auswirkungen von Temperaturanstiegen und Zunahme von Hitzewellen werden hier ebenfalls beschrieben.

Aktuelle Auswertungen der groß angelegten, ganzheitlichen Langzeitstudie zur österreichischen Lungengesundheit (LEAD Study) zeigen: Allergien treten in Österreich sehr häufig auf, nämlich bei 37% aller in der Studie Untersuchten. Seit 2012 haben Allergien massiv um 13% zugenommen. Dies ist besorgniserregend, da das Vorliegen einer Allergie das Risiko, Asthma zu entwickeln, enorm erhöht. Schon jetzt haben knapp 15% der untersuchten Bevölkerung keine normal gesunde Lunge entwickelt. Daher muss in Zukunft mit einer weiteren Zunahme von Asthmaerkrankungen gerechnet werden. Besonders von dieser besorgniserregenden Entwicklung betroffen: Kinder und junge Erwachsene.

Wenn man nur die letzten sechs Monate heranzieht: Laut Messungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ( ZAMG) hatten wir den drittwärmsten Sommer, seit in Österreich Messungen durchgeführt werden; Perioden der Dürre wechseln mit verheerendem Starkregen, Überschwemmungen und Murenabgängen; zudem erleben wir bei uns eher unbekannte Wetterphänomene wie einen Tornado in Schwechat und immer mehr und stärkere Stürme, die auch vermehrt Sahara-Sand bis in unsere Breiten tragen. Dieser Trend wird laut Modellrechnungen der ZAMG bis 2030 zu einer konstanten Temperaturerhöhung in der Alpenregion führen.

Zunehmende Hitzeperioden nehmen vielfältigen Einfluss auf unsere Gesundheit

„Da die Lunge ein ‚Umweltorgan‘ ist, also Umwelteinflüssen unmittelbar ausgesetzt ist, haben all diese Veränderungen großen Einfluss auf unsere Lungengesundheit“, so Prim.a Ass.-Prof.in Dr.in Sylvia Hartl, Leiterin der österreichischen LEAD-Studie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft und Vorständin der 2. Internen Lungenabteilung am Otto Wagner-Spital, Wien.

Längere Wärme/Hitzeperioden führen zu höheren Pollenkonzentrationen, weil Pflanzen früher und intensiver blühen. Aber auch das Einwandern und Heimischwerden von neuen Pflanzen im Sinne von Mediterranisierung wird ein Thema werden. Darüber hinaus erreichen an heißen Tagen Schadstoffemissionen wie Ozon, Feinstaub und NOaus Abgasen und Industrie Spitzenwerte und belasten die Atemwege, aber auch das Herz/Kreislaufsystem. In einem kürzlich publizierten Artikel über Gesundheit und Klimawechsel3 (Lancet, März 2017) wird dies in Zusammenhang gesetzt und durch die Auswertung europäischer meteorologischer Daten und Gesundheitsdaten wird vorausberechnet, dass in Europa bis 2030 die Zahl der Spitalsaufnahmen als Folge von Klimaeffekten von 11.000 auf 26.000 pro Jahr steigen wird4.

Ergebnisse aus der LEAD-Studie alarmierend – vor allem Kinder und Jugendliche betroffen

Die LEAD-Studie (= Lung, hEart, sociAl, boDy) ist eine große Langzeitstudie zur österreichischen Lungengesundheit, bei der mehr als 11.000 Probanden im Alter von 6 bis 80 Jahren umfassenden Untersuchungen unterzogen wurden – und werden. Die aktuelle Auswertung dieser Studie gibt Anlass zur Besorgnis. Hartl: „Über die Altersgruppen hinweg sind Kinder und Jugendliche (12%) stärker als ältere Menschen (4,5%) von obstruktiven Atemwegserkrankungen betroffen. In der Regel gehen wir davon aus, dass es sich in der Mehrzahl der kindlichen Lungenveränderungen um milde Erkrankungen handelt und daher wurde bisher gedacht, dass dies wenig Bedeutung für die weitere Zukunft des Kindes bzw. Jugendlichen haben wird. Wir finden allerdings bereits bei 13% der betroffenen Jungen klinisch relevante Lungeneinschränkungen, die mittels Medikamenten nicht normalisiert werden können.“ Daten aus anderen Langzeitstudien weisen darauf hin, dass eine Lungenerkrankung in der Kindheit bzw. Jugend der wichtigste Wegbereiter für spätere chronische Lungenerkrankungen ist und auch dafür, andere Begleiterkrankungen zu entwickeln5. Auch in Österreich zeigt sich ein stetiger Anstieg chronischer Lungeneinschränkungen in der erwachsenen Bevölkerung bei den 30- bis 60-Jährigen von 3% auf 9% mit allen Auswirkungen auf das Leben dieser Menschen und das Gesundheitssystem. Wenn es um Asthma geht, stellen Allergien den stärksten Risikofaktor dar, krankhafte Atemnotsymptome zu entwickeln (Asthmasymptome, schwere akute Atemverschlechterungen). Hartl: „Jedoch sind die Sensibilisierungen gegen Allergene nur eine Risikoquelle für die Entwicklung von Lungenerkrankungen. Wenn nun noch andere Risikofaktoren wie z.B. Rauchen und Umweltgifte hinzukommen, addiert oder potenziert sich dies sogar und führt zu einer unabwägbaren Risikozunahme über das Lebensalter.“

Lead-Studie macht Umwelteinflüsse „sichtbar“

Große epidemiologische Studien wie die LEAD-Studie sind enorm wichtig, um die Umwelteinflüsse auf eine heterogene Bevölkerung untersuchen und Prognosen erstellen zu können.

Vor dem Hintergrund des Klimarisikoszenarios (Abb. 1) versucht die LEAD-Studie daher, Daten über Umweltschadstoffe in Zusammenarbeit mit der Magistratsabteilung für Umwelt zu sammeln und gemeinsam mit vielen Gesundheitsdaten der Probanden in Bezug zu setzen.

Studienleiterin Hartl: „Es werden also auch gemessene Umweltdaten herangezogen und darauf basierend Rückschlüsse gezogen, wie eine veränderte Umwelt die Lungengesundheit der Bevölkerung beeinflusst. Also wer, mit welcher genetischen Ausstattung mit welchen Lungenerkrankungen auf welche Umwelteinflüsse reagiert.“

Um die Bedeutung von Allergenen für Lungenerkrankungen zu beurteilen wurde an jedem Teilnehmer ein Hauttest mit Standardallergenen durchgeführt. Hartl: „Überraschend war die hohe Rate an positiven Tests in der Gesamtbevölkerung von 37% und die starke Konzentration der positiven Tests, vor allem in der jungen Bevölkerung.“

Sensibilisierungen an sich sind keine Erkrankungen, aber sie zählen zu den bestuntersuchten Risikofaktoren für die Entwicklung von Asthmasymptomen. In der LEAD-Population stellt ein positiver Allergietest eine Risikoerhöhung, an Asthma zu erkranken, um 78% dar.

Ein Blick in die Zukunft

Die Auswirkungen auf die Asthmainzidenz werden in den nächsten Jahren innerhalb der Studienkohorte nachverfolgt werden, erläuterte Hartl, da die zeitliche Auswirkung zwischen Sensibilisierung und Krankheitsmanifestation nicht zeitlich unmittelbar hergestellt werden kann. Die vorläufigen Ergebnisse zeigten jedoch, dass international beobachtete Zusammenhänge auch in den einzelnen Ländern nachgeprüft werden müssen, um die Auswirkungen zu erkennen und geeignete Maßnahmen im Hinblick auf die Diagnose und Behandlung zu ermöglichen.

Hartl betonte, dass große epidemiologische Studien wie die LEAD-Studie enorm wichtig sind, um die Umwelteinflüsse auf eine heterogene Bevölkerung untersuchen und diese Zusammenhänge auch mit anderen Risikofaktoren wie Rauchen, Berufsleben, sozioökonomische Einflüsse und Krankheitsrisiken für Herz/Kreislauf, Diabetes und anderen chronischen Krankheiten in Kontext setzen zu können. „Durch diese Erkenntnisse können Risikoprofile erstellt und darauf aufbauend geeignete präventive Ansätze für die Zukunft ausgearbeitet werden. Mit der LEAD-Studie versuchen wir also, Ursachen und Hintergründe von Lungenerkrankungen wie COPD und Asthma zu identifizieren, um dadurch betroffenen Personen in Zukunft verbesserte Behandlungsmethoden zu eröffnen sowie Lungenerkrankungen zu vermeiden.“

Abschließend fasste Hartl zusammen: „Unsere Aufgabe ist es, die gesundheitlichen Zusammenhänge zu erkennen und diese Information der Politik zur Verfügung zu stellen, aber auch frühsymptomatische Risikogruppen einer verbesserten Diagnostik und Therapie zuzuführen, um Spätschäden und Lebensnachteile durch eine Erkrankung zu bekämpfen.“

Literatur

  1. Forsberg B, Braback L, Keune H, et al. An expert assessment on climate change and health – with a European focus on lungs and allergies. Environ Health. 2012;11 Suppl 1:S4.
  2. Watts N, Adger WN, Agnolucci P, et al. Health and climate change: policy responses to protect public health. Lancet. 2015;386(10006):1861-1914.
  3. Watts N, Adger WN, Ayeb-Karlsson S, et al. The Lancet Countdown: tracking progress on health and climate change. Lancet. 2017;389(10074):1151-1164.
  4. Astrom C, Orru H, Rocklov J, Strandberg G, Ebi KL, Forsberg B. Heat-related respiratory hospital admissions in Europe in a changing climate: a health impact assessment. BMJ Open. 2013;3(1).
  5. Lange P, Celli B, Agusti A. Lung-Function Trajectories and Chronic Obstructive Pulmonary Disease. The New England journal of medicine. 2015;373(16):1575.

3. Oktober 2017

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet. Sofern nicht anders vermerkt, gelten alle Bezeichnungen sowohl für Frauen als auch für Männer.

 

Kontakt

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Prim.a Ass.-Prof.in Dr.in Sylvia Hartl
Leiterin der österreichischen LEAD-Studie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Vorständin der 2. Internen Lungenabteilung am Otto Wagner-Spital, Wien
Sanatoriumstraße 2, 1140 Wien
Tel.: + 43/1/910 60 – 42002
E-Mail: sylvia.hartl@wienkav.at

Lead-Studie des LBG s für COPD und pneumologische Epidemiologie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft
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