ÖGP-Jahrestagung 2019

Sie liegen seit einigen Jahren voll im Trend: E-Zigaretten und E-Shishas. Und sie sind vor allem bei jungen Menschen sehr beliebt. Vermarktet werden sie als „gesündere“ Alternative zum normalen Tabakkonsum. Doch eine Reihe mysteriöser Lungenerkrankungen in den USA und inzwischen 26 Todesfälle werden mit dem Konsum von E-Zigaretten in Zusammenhang gebracht. Der US-Bundesstaat Massachusetts hat ein generelles Verbot für den Verkauf von E-Zigaretten erlassen. Wie gefährlich sind nun E-Zigaretten und Co tatsächlich? Die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) fasst anlässlich ihrer Jahrestagung (10.-12. Oktober in Wien) den Stand der Dinge zusammen.

E-Zigaretten und E-Shishas richten sich mit ihren fruchtigen und exotischen Aromen wie Pfirsich, Erdbeere, Apfel oder Kokosnuss vor allem an ein junges Publikum. Sie gelten bei vielen Rauchern* als harmlosere Alternative zu klassischen Tabak-Zigaretten oder -Shisha. Sie werden als Instrument zur Raucherentwöhnung angepriesen. Und auch an Orten, wo tabakhaltiger „blauer Dunst“ verboten ist, gelten E-Zigaretten als willkommener und harmloser Ersatz für Raucher. Doch schon seit Jahren warnen Lungenfachärztinnen und Lungenfachärzte davor, E-Zigaretten bedenkenlos zu konsumieren. Sie seien im Vergleich zur normalen Zigarette zwar das kleinere Übel, harmlos sind sie aber ganz bestimmt nicht.
Das Dilemma ist: Bisher gibt es kaum wissenschaftliche Studien zu den gesundheitlichen Spätfolgen der E-Zigaretten und strikte Regulierungen wie bei Nahrungsmitteln, Medikamenten oder herkömmlichen Tabakprodukten fehlen.

E-Zigarette im „rechtsfreien Raum“: Keine strengen gesetzlichen Regelungen
Das Problem ist, dass E-Zigaretten nicht unter das Tabak- und Arzneimittelgesetz fallen. Die Hersteller haben bei den Inhaltsstoffen daher großen Spielraum. So ist es auch möglich, dass Inhaltsstoffe und Trägersubstanzen verwendet – und nicht deklariert – werden, die bisher noch nicht ausreichend untersucht wurden. Wirkungen und Nebenwirkungen sind weitgehend unbekannt. ÖGP-Generalsekretär Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht, Vizedekan der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz und Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum: „Viele der verwendeten Aromastoffe sind zwar dermatologisch getestet, welche Auswirkungen sie aber auf Atemwege und Lunge haben, weiß man einfach noch nicht.“ Zum Vergleich: Werde ein Pharmazeutikum für die Lunge auf den Markt gebracht, gäbe es zahlreiche Untersuchungen und eine jahrelange Testphase, um Wirkung, Nebenwirkungen und Risiken möglichst genau zu erkennen. „In der jetzigen Situation befinden wir uns quasi in einem riesigen Feldversuch, der vor allem an jungen Menschen vorgenommen wird“, warnt Lamprecht.

Dampfen beeinträchtigt Selbstreinigungsfunktion der Lunge
In einer E-Zigarette werden aromatisierte, nikotinhaltige oder nichtnikotinhaltige Flüssigkeiten (Liquids) elektrisch verdampft. Es entsteht daher kein (Verbrennungs-)Rauch, sondern ein Aerosol (flüssige Schwebeteilchen in einem Gas), das eingeatmet wird.
Dieses „Dampfen“, also das Einatmen dieser Dämpfe, beeinträchtigt potenziell die Flimmerhärchen in ihrer wichtigen Funktion, die Lunge vor Fremdstoffen zu schützen, und behindert dadurch die Selbstreinigungsfunktion der Lunge. Das könnte der Grund dafür sein, dass es zu einer erhöhten Anzahl von Lungenentzündungen oder Atemwegsinfekten durch den Gebrauch von E-Zigaretten kommt. Dies zeigen auch die vom Center of Disease Control (CDC) in den USA 1.299 registrierten Fälle von Lungenschädigungen, die im Zusammenhang mit der Verwendung von E-Zigaretten gesehen werden. Und unter diesen Fällen gibt es ja inzwischen bereits 26 Todesfälle. Da laut CDC aber viele dieser Patienten THC-haltige Produkte (Inhaltsstoff von Cannabis) verwendet haben, gilt es noch zu klären, in wie weit dies eine zusätzliche Rolle spielt.

„Das Dampfen ist besonders problematisch für Menschen mit empfindlichen Atemwegen, wie zum Beispiel Asthmatiker, immerhin rund 6% der österreichischen Bevölkerung, aller Voraussicht nach aber auch für alle anderen Menschen. Welche Personengruppen durch den Gebrauch von E-Zigaretten besonders gefährdet sind, wird erst die Zeit zeigen“, betonte Kongress-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Schenk, Past-Präsident der ÖGP und Leiter der Abteilung für Pneumologie am Landesklinikum Hochegg.

Gefährliche Trägersubstanzen und Inhaltsstoffe
Während der Einsatz- bzw. Zusatz von Inhaltsstoffen bei herkömmlichen Zigaretten streng geregelt ist, ist das bei E-Zigaretten nicht der Fall.
Hier ist in den letzten Wochen vor allem eine Substanz in den Vordergrund gerückt, nämlich Pulegon. Dabei handelt es sich um einen Inhaltsstoff der Minze, der als Grund- und Ausgangsstoff für Kosmetika und Parfumöle sowie zur Synthese von Menthol dient. Pulegon wirkt in hoher Konzentration karzinogen und ist bekannt dafür, zum Beispiel Leberkrebs hervorzurufen. Pulegon ist daher als Nahrungszusatz verboten. Während bei Tabak-Menthol-Zigaretten die Pulegon-Konzentration daher streng limitiert ist, ist dies bei mentholhältigen Liquids für E-Zigaretten nicht der Fall. Laut Untersuchungen der Duke University ist der Pulegon-Gehalt in US-E-Zigaretten zwischen 86- und 1.608-mal höher als jener, der durch das Rauchen von Menthol-Zigaretten aufgenommen wird.[1]

Und das ist nicht die einzige Substanz, die problematisch ist.
Als Lösungsmittel für Nikotin und Aromen wird meist Propylenglykol verwendet, das selbst ein Reizstoff und Kontaktallergen ist und aus dem sich durch den Heizdraht Propylenoxid entwickelt, das im Verdacht steht, krebsfördernd zu sein. Noch problematischer ist das ebenfalls als Lösungsmittel verwendete Äthylenglykol (1,2 Ethandiol), dessen Reaktionsprodukte nieren- und neurotoxisch sind. Zwar seien, so der Experte der ÖGP, die krebserzeugenden Stoffe wie Formaldehyd und ähnliche, die sich aus fast allen E-Zigaretten entwickeln, nur in kleineren Konzentrationen als bei der Tabakverbrennung nachweisbar, aber verteilt auf der großen Oberfläche der Nanopartikel genügen vielleicht auch Spuren von Karzinogenen, um Krebs zu verursachen.

E-Zigaretten zur Nikotinentwöhnung geeignet?

Nikotinhältige E-Zigaretten. Während eine Nikotinersatztherapie durch Nikotinpflaster und Nikotinkaugummis als Übergangslösung gedacht ist, ist eine nikotinhaltige E-Zigarette zur Daueranwendung über Jahre und Jahrzehnte konzipiert und vom Hersteller intendiert, was angesichts der vielen negativen Auswirkungen von Nikotin auf das Herz-Kreislauf-System genauso schädlich ist wie herkömmliche Zigaretten. Wie Präsentationen auf der Jahrestagung der European Respiratory Society 2019 gezeigt haben, ist die E-Zigarette nicht geeignet für die Raucherentwöhnung.

Nikotinfreie E-Zigaretten. Und selbst wenn man auf nikotinfreie E-Zigaretten umsteigt, gibt es zwar keine nikotinbedingte schädigende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System, es bleibt aber die Problematik der Aromastoffe und Trägersubstanzen, deren Wirkungen und Nebenwirkungen auf Lunge und Atemwege weitgehend unbekannt sind. Lamprecht betonte: „Auch die nikotinfreien E-Zigaretten sind ganz bestimmt nicht als risikolos einzustufen, da wir nicht wissen, wie sich das Einatmen von Aromastoffen und ihren eigenwilligen Mischungen auf die Atemwege auswirkt. Dass sie Schaden anrichten, ist aber naheliegend. Denn Atemwege sind weder für die Inhalation von Rauch noch von Dampf gemacht.“

Für sehr starke Raucher, die einfach nicht vom Rauchen wegkommen können, wäre die E-Zigarette möglicherweise das kleinere Übel. Für Nichtraucher allerdings ist sie sicher eine gefährliche Einstiegsdroge.

E-Zigarette als verlockende „Einstiegsdroge“
E-Zigaretten und E-Shishas richten sich mit ihren fruchtigen und exotischen Aromen wie Erdbeere, Apfel oder Kokos vor allem an ein junges Publikum. Und Jugendliche finden sie sehr attraktiv.

„Natürlich macht das Nikotin der E-Zigaretten genauso abhängig wie das Nikotin der herkömmlichen Tabakprodukte“, so Lamprecht. „E-Zigaretten fördern gerade bei Minderjährigen und Jugendlichen den Griff zur ‚Zigarette‘. Und egal woher das Nikotin kommt, es schädigt das Herz-Kreislauf-System.“ Darüber hinaus würden auch nikotinfreie E-Zigaretten mit Zuckerl-, Alkohol- oder anderen Geschmacksrichtungen gerade Kinder und Jugendliche ansprechen und in dieser Prägephase das Rauchverhalten verankern – und sie setzen sich dem gefährlichen Gemisch von potenziell krebserregenden Substanzen durch die Inhalation des Aerosols aus. Und inwieweit diese potenziell gefährlichen Inhaltsstoffe Atemwege und Lunge gerade von Minderjährigen und noch in der Entwicklung befindlichen Jugendlichen schädigen und welche Langzeitfolgen sich daraus ergeben, ist weitgehend unklar.

Passivrauch
Auch das Passivrauchen ist nicht unproblematisch, da auch im Exhalat durchaus noch schädigende Stoffe in beträchtlicher Konzentration vorhanden sein können. Auch hier werden noch Untersuchungen notwendig sein.

Resümee
Basierend auf dem heutigen Stand des Wissens und den Vorfällen in den USA kann aus ärztlicher Sicht von der Anwendung von E-Zigaretten und E-Shishas nur abgeraten werden. Die ÖGP empfiehlt daher auch dringend, gar nicht mit dem Gebrauch von E-Zigaretten zu beginnen, da man davon ausgehen muss, dass weder Rauch noch Dampf für die Atemwege und die Lunge gesund sind.
Da die E-Zigarette in den USA schon länger zur Anwendung kommt als in Europa, kann man dort auf einen längeren Beobachtungszeitraum zurückblicken und sieht nun die ersten erschreckenden Ergebnisse. Das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) empfiehlt, solange die Ursache der aufgetretenen Erkrankungen unklar ist, E-Zigaretten nicht zu benutzen. Auch der jüngst verhängte „E-Cigarette-Ban“ im USA-Bundesstaat Massachusetts ist als Reaktion darauf zu verstehen und zeigt, dass die Problematik andernorts bereits sehr bewusst wahr- und ernstgenommen wird.

„Wer seine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen möchte, sollte daher nicht nur auf den Griff zur herkömmlichen, sondern auch zur E-Zigarette verzichten“, empfahl Lamprecht abschließend.

[1] https://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/article-abstract/2751245

Kontakt

Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht
Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Vizedekan für Lehre der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz
Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde
Kepler Universitätsklinikum
Med Campus III.
Krankenhausstraße 9
4021 Linz / Austria
Tel.: +43 (0)5 7680 83 – 0
E-Mail: bernd.lamprecht@kepleruniklinikum.at

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Schenk, MSc, MBA
Past-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Leiter der Abteilung für Pneumologie am Landesklinikum Hochegg
Hocheggerstraße 88
2840 Hochegg
Tel.: +43-(0)2644-6300-21210
E-Mail: peter.schenk@hochegg.lknoe.at

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